Fotografie: Vertigohyeah
FÜRST*IN NINETTA
PREMIERE 15. Februar 2025
AUFTRAGSWERK Johann Strauss 2025 Wien
SPIELORT Dianabad, 2., Lilienbrunngasse 7–9
SPIELTERMINE 15., 16. Februar, // 19., 21., 22. Februar // 24., 25. Februar, 1. März // 4., 5., 6. März // 9., 10., 11., 12. März
OH, OH! OPERETTE!
Nesterval widmet sich im Auftrag von Johann Strauss 2025 Wien mit diesem immersiven Stück, einer „vergessenen“ Operette von Johann Strauss – „Fürstin Ninetta“ – und holt diese in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Als Aufführungsort wurde das Dianabad im 2. Bezirk gewählt, weil im historischen Dianabad am 15. Februar 1867 der wohl berühmteste Walzer aller Zeiten uraufgeführt wurde: „An der schönen, blauen Donau“.
NESTERVALS FÜRST*IN NINETTA – DIE HANDLUNG
Die Handlung von „Fürst*in Ninetta“ basiert auf dem „Fürstin Ninetta“-Libretto von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Mit dem Flugzeug geht es ins fiktive Hotel Nesterval in Sorrent/Italien, mitsamt seinen illustren Gästen, die hier die Silvesternacht von 1974 auf 1975 erleben. Am selben Tag soll im Nesterval’s auch die Hochzeit von Adelheid Möbius und Ferdinand Knapp stattfinden. Doch das Schicksal nimmt eine unerwartete Wendung: Anastasia Knapp und Hans Möbius, die verwitweten (beziehungsweise geschiedenen) Elternteile von Braut und Bräutigam überraschen das junge Paar mit der Nachricht, dass sie einander vor wenigen Tagen in Neapel heimlich geheiratet haben. Damit gelten Adelheid und Ferdinand als Geschwister, wodurch ihre geplante Hochzeit platzt.
Gleichzeitig trifft der Schlagerstar Fürstin Ninetta im Hotel ein – jedoch zunächst verkleidet als Carolino, ein junger Mann. Die Hotelgäste bewundern Ninetta und verlieben sich in diesen illustren Gast – je nachdem, ob als Mann oder als Frau. Unter den Ankömmlingen ist auch der geheimnisvolle Kassim mit seinem Assistenten Rustan, ein Fremder, der nur auf der Durchreise zu sein scheint. Doch auch er fühlt sich zu Carolino – oder doch Ninetta? – hingezogen.
Während der Silvesterfeier spitzen sich die Ereignisse zu. Kurz vor Mitternacht verschwindet Ninetta spurlos. Sofort fällt der Verdacht auf Kassim – den Außenseiter, den Fremden, den vermeintlichen „Anderen“. Schnell wird ihm Schuld zugeschrieben, Misstrauen schlägt in offene Feindseligkeit um. Die Suche nach der Wahrheit beginnt, andere Geschichten nehmen ihren Lauf auf. Während im hellen Rampenlicht sich alles zum Guten wendet – die Eltern von Adelheid und Ferdinand finden einen Grund, sich scheiden zu lassen, und machen so den Weg für die ursprüngliche Hochzeit wieder frei – verlaufen die Schicksale in den verborgenen Winkeln der Hotelanlage weit weniger glücklich. Das Publikum taucht ein in diese illustre, abgründige Welt des Hotel Nesterval Sorrent und wird Teil zahlreicher Irrungen und Wirrungen. Eine lebendige Parodie auf die allseits geliebte Italienreise!
IDENTITÄT, ZUGEHÖRIGKEIT, SELBSTBESTIMMUNG: FÜRST*IN NINETTA ALS SPIEGEL DER GESELLSCHAFT
Identität, Zugehörigkeit und Selbstbestimmung stehen im Zentrum von „Fürst*in Ninetta“. Nesterval greift Themen auf, die in der ursprünglichen Operette nur angedeutet oder sogar ausgeklammert wurden, und stellt sie in einen neuen, gesellschaftlich relevanten Kontext. Je nachdem welchem Charakter das Publikum folgt, geht es also um Geschlechtsidentität, Rassismus oder das Recht, über das eigene Leben zu entscheiden – eine Reflexion über Freiheit in all ihren Facetten.
Bei Johann Strauss dient das Spiel mit den Identitäten vor allem der klassischen Verwechslungskomödie: Eine Frau, die sich als Mann verkleidet, sorgt für turbulente Verwirrung, romantische Missverständnisse und dramatische Enthüllungen. Doch während solche Rollen damals oft mit einem Augenzwinkern betrachtet wurden, liest Nesterval diese Thematik mit zeitgenössischem Blick – als tiefgehende Auseinandersetzung mit Geschlechtsidentität und gesellschaftlichen Erwartungen.
Wer oder was ist Ninetta? Ist sie eine Frau, die sich als Mann ausgibt, um sich in einer männlich dominierten Welt zu behaupten? Ist Carolino eine eigene Identität, die sich nicht als bloße Verkleidung, sondern als gelebter Ausdruck einer anderen Geschlechtswahrnehmung verstehen lässt? Ist Ninetta trans, nonbinär oder einfach eine Person, die sich in keine der vorgegebenen Kategorien pressen lassen will? Nesterval lässt diese Fragen bewusst offen und stellt sie ins Zentrum der Erzählung. Es geht nicht darum, eine endgültige Antwort zu finden, sondern darum, das Recht auf Unentschiedenheit, auf Entwicklung und auf das individuelle Finden der eigenen Identität zu thematisieren.
Die Gäste im Hotel Nesterval reagieren unterschiedlich auf Carolino bzw. Ninetta. Manche fühlen sich von Carolino angezogen, ohne zu wissen, dass dahinter Ninetta steckt. Andere erkennen oder erahnen die Mehrdimensionalität dieser Figur und werden konfrontiert mit ihren eigenen Erwartungen und Unsicherheiten. Der geheimnisvolle Kassim, selbst ein Außenseiter in dieser Gesellschaft, fühlt sich von Carolino ebenso angezogen wie von Ninetta. Doch was bedeutet diese Anziehung? Ist es eine Liebe, die unabhängig von Geschlecht existiert? Oder ist es eine Liebe, die von gesellschaftlichen Konventionen bedroht wird?
Der Moment der Auflösung kommt – und bleibt dennoch offen. In der finalen Szene, mit dem Lied „Die Stunde schlägt“ und den Worten „Ich war am Ende schon von Anfang an genug, hab lang gesucht, lang gesucht“, findet Ninetta für sich die einzige wahre Antwort: Es gibt keine Dringlichkeit, sich festzulegen. Identität ist nicht statisch, sie ist nicht binär, sie ist nicht für andere definierbar. Es ist ein Prozess, eine Reise, eine Suche, die nicht zwingend ein Ziel braucht. Damit gibt Nesterval einer Thematik Raum, die heute aktueller denn je ist. Das Recht, die eigene Identität selbst zu bestimmen – ohne gesellschaftlichen Druck, ohne voreilige Kategorisierung, ohne die Notwendigkeit, sich heute für alle Zeiten festlegen zu müssen.
So wird die Strauss’sche Verwechslungskomödie von einst bei Nesterval zu einer ernsthaften, durchaus spielerisch erzählten Reflexion über Geschlechtsidentität. Die Komik bleibt, die Leichtigkeit des Spiels, aber zugleich wird der Subtext klar: Nicht Ninetta ist es, die sich entscheiden muss – sondern die Gesellschaft muss lernen, nicht auf eine Entscheidung zu pochen.
DAS FREMDE, RASSISMUS UND ALLES WALZER
Ein Walzer mit Schatten: Österreich ist ein Land der Gegensätze – ein Land, das seine Identität zwischen nostalgischer Walzerseligkeit und tief verwurzeltem Rassismus verhandelt. Beides existiert oft untrennbar nebeneinander: Die Freude am leichten Spiel, an Tradition und Eleganz kann sich im selben Moment mit Ausgrenzung, Angst und Abwehr des „Fremden“ verbinden. Nesterval legt in „Fürst*in Ninetta“ diesen Widerspruch offen und macht ihn unübersehbar. Schon im original Libretto findet sich der „fremde“ Cassim Pascha („spricht in russisch-deutschen Dialekt“), in der Rolle des Außenseiters wieder – eine Figur, die gleichermaßen Bewunderung wie Misstrauen hervorruft. Nesterval greift diese Thematik noch schärfer auf und stellt sie ins Zentrum des Geschehens. Während im Hotel der Jahreswechsel gefeiert wird, während Strauss-Melodien das Publikum zum Schwelgen bringen, kippt die Stimmung. Der „Fremde“, der Außenseiter, wird verdächtigt. Und während der berühmte Walzer „An der schönen blauen Donau“ erklingt, geschieht das Unvermeidliche: Der Mob schlägt zu. Kassim, gespielt von Chris Pfannebecker, einem POC-Schauspieler, wird vor aller Augen Opfer einer rassistischen Gewaltspirale – ein inszenierter Moment, der weit über den Rahmen der Operetten-Handlung hinausweist.
Diese Szene, choreografiert von Jérôme Knols, führt mit brutaler Klarheit vor Augen, wie schnell die Grenze zwischen Vergnügen und Gewalt überschritten werden kann. Gerade in Österreich – wo sich das kollektive Gedächtnis so gerne in Operettenromantik wiegt und dabei allzu oft die dunklen Kapitel ausblendet – geht Nesterval bewusst dorthin, wo es weh tut. Denn wer glaubt, Rassismus und Walzerseligkeit schließen einander aus, irrt. Sie können in diesem Land Hand in Hand gehen – und oft genug tun sie es.
FREIHEIT ÜBER DAS EIGENE LEBEN: KATHARINA & ADELHEID MÖBIUS
Während sich „Fürst*in Ninetta“ intensiv mit den Themen Rassismus und Geschlechteridentität auseinandersetzt, erzählt Nesterval noch eine weitere Geschichte. Eine Geschichte, die in Johann Strauss’ Operette so nicht vorkommt, für uns aber essenziell ist: Die Frage nach Selbstbestimmung über den eigenen Körper.
Katharina Möbius ist todkrank. Sie weiß, dass ihr Körper sie bald verlassen wird, dass ihr Leben, so wie sie es kannte, nicht mehr existieren kann. Doch während die Menschen um sie herum versuchen, sie zu halten, sie zu retten oder gar über sie zu entscheiden, trifft sie eine Wahl – sie möchte gehen. Die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, wird gesellschaftlich oft tabuisiert, verdrängt oder moralisiert. Doch ist es nicht das letzte, das fundamentalste Recht eines Menschen, über sein eigenes Ende zu bestimmen?
Im Gegensatz dazu steht die Geschichte von Katharinas Tochter Adelheid, die vor einer ganz anderen Entscheidung steht. Sie ringt lange mit sich, ob sie ihren Verlobten Ferdinand heiraten soll. Die äußeren Umstände und der Druck von außen scheinen dagegenzusprechen, doch am Ende bleibt sie bei ihm – eine Entscheidung, die von außen als „falsch“ betrachtet werden könnte, aber für sie selbst richtig ist. Während Katharina für ihr Recht auf einen selbstbestimmten Tod kämpft, verteidigt Adelheid ihr Recht auf ein Leben, das nicht von anderen bewertet oder gesteuert wird.
Nesterval nähert sich diesen Themen mit Feingefühl und Respekt, ohne zu urteilen oder einfache Antworten zu geben. Während die einen das neue Jahr feiern, kämpft Katharina für das Recht, ihr Leben selbst zu beenden – und sei es, um endlich Frieden zu finden. Adelheid hingegen entscheidet sich für das Leben, auch wenn es nicht den Erwartungen entspricht.
Diese Gegenüberstellung zeigt zwei Formen der Selbstbestimmung: das Recht, zu gehen, und das Recht, zu bleiben – unabhängig davon, was die Gesellschaft für „richtig“ oder „falsch“ hält. In „Fürst*in Ninetta“ begegnen wir beiden Frauen auf ihren jeweiligen Wegen. Und wir müssen uns fragen, ob wir in einer Welt leben, die bereit ist, Menschen diese Entscheidungen zuzugestehen – oder ob wir sie, trotz aller Liebe, immer wieder zurückhalten, aus Angst vor dem eigenen Verlust.
THEATER FÜR ALLE SINNE – IMMERSIVES THEATER IN ÖGS
Nesterval steht für eine inklusive Theatererfahrung, die Grenzen überschreitet – in Bezug auf Raum und Zeit und in der Praxis, wie wir Geschichten erzählen und erleben lassen. Mit „Fürst*in Ninetta“ haben wir uns einer neuen Herausforderung gestellt: Wie kann immersives Theater für ein Publikum mit Hörbeeinträchtigung zugänglich gemacht werden, ohne dabei in reine Simultanübersetzung in ÖGS (Österreichische Gebärdensprache) zu verfallen? Die Antwort lag in einer engen Zusammenarbeit mit der ÖGS-Performerin Pam Eden.
Pam Eden spielt im Stück Klärchen Wasén. Zudem hat sie die Szenen für das ÖGS-Publikum mit den anderen Darsteller*innen einstudiert und auch dem gesamten Ensemble während der Probenarbeit einen Grundkurs in Österreichischer Gebärdensprache gegeben. So entstand ein tiefgehendes Verständnis für ÖGS als eigenständige Sprache mit eigener Grammatik, Kultur und Ausdrucksweise. Das Ergebnis sind Szenen, die für taube und schwerhörige Menschen zugänglich sind und dabei die Gebärdensprache als integralen Bestandteil der Inszenierung begreifen – nicht als nachträgliche Übersetzung, sondern als künstlerisches Mittel.
Die ersten Testdurchläufe haben eine spannende Dynamik gezeigt. Szenen, in denen ausschließlich gebärdet wird, empfand „hörendes“ Publikum zunächst als exkludierend. Erst nach und nach setzte das Bewusstsein ein, dass sich taube oder schwerhörige Menschen tagtäglich in genau dieser Welt bewegen – einer Welt, in der sie permanent um Zugang zu Informationen und Kommunikation kämpfen müssen. Durch diesen Perspektivwechsel eröffnet sich eine neue, immersive Erfahrung: Theater wird nicht nur gesehen und gehört, sondern auch gefühlt und verstanden – unabhängig von der eigenen Sinneswahrnehmung.
Mit diesem Schritt will Nesterval einen Beitrag dazu leisten, immersives Theater für ein möglichst breites Publikum erlebbar zu machen. Denn wahre Immersion bedeutet, nicht nur in eine Geschichte einzutauchen, sondern auch die Sichtweisen anderer Menschen mitzuerleben.
OPERETTE ABER OHNE OPERETTE: DIE MUSIK IN FÜRST*IN NINETTA
Was wäre ein glamouröser Aufenthalt im Hotel Nesterval ohne die passende musikalische Begleitung? Hier finden Sie eine exklusiv kuratierte Musikliste.
Und hier finden Sie eine Liste der MP3s der Original-Songs von Julian Muldoon zum Anhören.
Ninetta Reprise
Text: Sarah Muldoon
Musik: Sarah Muldoon & Julian Muldoon
Die Stunde schlägt
Text: Sarah Muldoon
Musik: Sarah Muldoon & Julian Muldoon
Vielleicht hab ich mein ganzes Leben lang gesucht
Auf anderen Wegen und in anderen Paar Schuhen
Ich hab mich nicht erkannt im Spiegel an der Wand
Viele Gesichter lang, bis ich endlich vor mir stand
Und spürte als ich sah, wer ich schon immer war
Ich war am Ende schon von Anfang an genug
hab lang gesucht, lang gesucht
Ich war am Ende schon von Anfang an genug
lang gesucht und dann fand ich mich gut
Sollen alle gehn, ich werd so bleiben wie ich bin
Die Stunde schlägt als ob sie weiß, dass es gelingt
Und irgendwann verheilt auch die Vergangenheit
Muss ich auch fallen durch alle Raster außer Raum und Zeit
Ich hab so lang gesucht, lang genug, doch ich war schon immer gut
Ich war am Ende schon von Anfang an genug
hab lang gesucht, lang gesucht
Ich war am Ende schon von Anfang an genug
lang gesucht und dann fand ich mich gut
Es gibt viele Belle Donne
Text: Sarah Muldoon
Musik: Johann Strauss. Bearbeitung von Sarah Muldoon, Julian Muldoon & Fabian Horstfeld
Felicità
Clara Pazzini & Julian Muldoon (Cover)
Original von Cristiano Minellono, Dario Farina & Gino de Stefani
Guarda che luna
Clara Pazzini & Julian Muldoon (Cover)
Original von Fred Buscaglione
L’italiano
Clara Pazzini & Julian Muldoon (Cover)
Original von Toto Cutugno
NENNEN SIE MICH MARTHE: MARTHE SCHWERDTLEINS BESTSELLER-ROMAN
Für die Sinne und das Vergnügen finden Sie hier Auszüge aus dem (fiktiven) autofiktionalen Roman „Nennen Sie mich Marthe“ von Marthe Schwerdtlein – der Grande Dame der Nesterval-Hotels und einer schillernden Figur voller Geheimnisse. Tauchen Sie ein in die Geschichten und Intrigen, die diese Nacht unvergesslich machen.
NESTERVALS SPIELORT IM SPASSBAD – DIE GESCHICHTE DES DIANABADS
Mit dem Bau des Dianabades brach eine neue Ära für die Wiener Bäderlandschaft an. Architekt Jean Charles de Moreau errichtete beim Donaukanal ein "Baadhaus" mit 68 Badekabinen und 78 Wannen aus Zink, das am 1. Juli 1810 eröffnet wurde. Im Dianabad bestand strikte Geschlechtertrennung: Es gab getrennte Schwimmhallen für Männer und Frauen, Kinder wurden nicht berücksichtigt. Da der Badebetrieb im Winter nicht wirtschaftlich zu führen war, fand die Schwimmhalle im „ersten Dianabad“ als Ballsaal Verwendung; eine damals durchaus gängige Praxis. Das Bassin wurde dafür überdeckt und wurde zur Tanzfläche. Drei große Bronzeluster sowie zahlreiche Wandluster sorgten für die Beleuchtung. Das beinahe exotische Ambiente wurde von einem Wintergarten noch unterstrichen.
1878 erfolgte eine Erweiterung des Dianabads durch Otto Wagner. Den klassizistischen Innenhof verwandelte man in eine offene Sommerschwimmhalle. 1913-1917 wurde das Gebäude schließlich abgerissen und ein „zweites Dianabad“ nach Plänen des Architekten Peter Paul Brang errichtet. Im Kriegsjahr 1945 wurde es schwer beschädigt; trotzdem nahm man bereits im August 1946 den provisorischen Betrieb wieder auf. 1965 wurde auch dieses Gebäude abgetragen. Es folgte an der Adresse Lilienbrunngasse 7–9 das „dritte Dianabad“ (Architektur: Friedrich Florian Grünberger und Georg Lippert), das im Sommer 1974 als städtisches Bad eröffnete und zwanzig Jahre in Betrieb war. Nach dem Abriss entstand hier das vierte und vorerst letzte Dianabad als Teil eines Bürohauses: Ein privat geführtes Erlebnisbad, das 2000 eröffnete und bis Ende 2020 in Betrieb war. Seither ist das einstige Spaßbad stillgelegt und ungenutzt. Nesterval zeigt hier im Februar/März 2025 als Auftragswerk mit Johann Strauss 2025 Wien „Fürst*in Ninetta“.
URAUFFÜHRUNG DES DONAUWALZERS IM DIANABAD 1867
Die Eröffnung des Dianasaals, dem Winterbetrieb des ersten Dianabades, fand am 12. November 1860 mit der Diana-Polka von Josef Strauss statt. Johann Strauss (Sohn) und Carl Michael Ziehrer, der hier am 21. November 1863 debütierte, lockten das Publikum in Scharen an. 1862 debütierte hier auch Eduard Strauss.
Am 15. Februar 1867 wurde im Dianabad der vielleicht berühmteste Walzer der Welt zum ersten Mal aufgeführt. An einem Abend des Wiener Männergesang-Vereins wurde hier erstmals der spätere Donauwalzer gesungen, ursprünglich mit dem Textbeginn "Männer seid froh, oho, wieso?". Die Melodie wurde nach Medienberichten wohlgefällig aufgenommen, war jedoch noch kein großer Erfolg.
JOHANN STRAUSS‘ OPERETTE FÜRSTIN NINETTA (1893)
„Fürstin Ninetta“ ist die zwölfte der fünfzehn Operetten von Johann Strauss. Nach dem Fiasko seiner Oper „Ritter Pasman“ kehrt der Komponist mit „Ninetta“ wieder zum bewährten Operetten-Genre zurück und sucht nach einem neuen Buch. Die Textdichter Hugo Wittmann und Julius Bauer liefern das gewünschte Libretto, eine erfolgversprechende Mischung aus Kabarett und Gesang. Die Uraufführung der „Operette in 3 Akten“, bei der auch Kaiser Franz Josef zugegen ist, findet am 10. Jänner 1893 im Theater an der Wien statt. Dabei wird erstmals in einem Wiener Theater elektrisches Licht verwendet. Die Uraufführungsbesetzung besteht aus Ilka Palmay, Therese Biedermann, Karl Streitmann und Alexander Girardi. Der Auftritt des gefeierten Operettenstars mit einem runden Strohhut mit breitem Rand und dunklem Band ist so erfolgreich, dass von diesem Tag an diese damals populäre Hutkreation in Österreich „Girardi-Hut“ genannt wird. Strauss' Ninetta ist ein großer Erfolg und wird insgesamt 76 Mal gespielt.
ÜBER NESTERVAL
Das 2011 gegründete immersive Theaterensemble Nesterval versteht sich als queeres Volkstheater, das Klassiker der Literatur- oder Theatergeschichte in die Jetztzeit übersetzt, überzeichnet und dekonstruiert. Im Zentrum jeder Inszenierung steht die Lust am Spiel, das Schaffen eines theatralen Erlebnisraums und das Einbezogensein des Publikums in die Performance. Der interaktive Handlungsspielraum eröffnet sich durch Empathie, durch ungewöhnliche Rollenbesetzung und vor allem durch das Gespräch, das auch nach dem Stück zwischen Publikum und Darsteller*innen gesucht und geführt wird.
Bei Nesterval steht eine queere Technik der Selbstermächtigung im Vordergrund, bei der die lustvolle Ebene des Spiels immer auch eine politische Dimension hat und aktuelle gesellschaftspolitische Fragen aufgeworfen und verhandelt werden. Die Produktionen basieren stets auf epochalen Erlebnissen der (fiktiven) Familiendynastie Nesterval. Sämtliche der bisher über 25 nationalen und internationalen Produktionen sind ortsspezifische Projekte, die auf den kulturellen, sozialen und historischen Hintergrund des jeweiligen Ortes Bezug nehmen und zur Dezentralisierung des Kunst- und Kulturbetriebs beitragen. Das Ensemble besteht aus über 20 Performer*innen, Drag Artists und Schauspieler*innen, die in unterschiedlichen Formationen die Geschichte der sagenumwobenen Familie Nesterval erzählen.
Kampnagel Hamburg schreibt: „Die queere Volkstheater-Guerilla Nesterval macht unter der künstlerischen Leitung von Martin Finnland Theater für Menschen, denen Theater eigentlich zu langweilig ist. Mit immersiven Settings und der Bespielung leerstehender Gebäude involviert die Wiener Theatergruppe ihr Publikum unmittelbar und macht Theater zum Erlebnis mit Suchtfaktor. In ihrer Heimatstadt sind ihre Stücke innerhalb von Minuten ausverkauft.“
2019, 2020 und 2023 wurde Nesterval für den Wiener Theaterpreis Nestroy nominiert. 2020 hat die Gruppe sie diesen auch erhalten.
ENSEMBLE
LEADING TEAM
Künstlerische Leitung & Regie Martin Finnland | Buch Teresa Löfberg, Eva Deutsch, Martin Finnland, Johannes Scheutz | Co-Regie Tove Grün, Lorenz Tröbinger, Jerôme Knols, Laura Athanasiadis | Techn. Dramaturgie / Charakterarbeit Lorenz Tröbinger | Dramaturgie Tove Grün, Teresa Löfberg | Produktion Gioia Morgan | Choreographie Jerôme Knols | Bühnenbild Andrea Konrad | Kostümbild Dritan Kosovrasti | Musik und Komposition Julian Muldoon (Gesang: Sarah Muldoon und Clara Pazzini) | Requisite Sophie Eidenberger | Technische Leitung Lukas „Lupo“ Saller | Stellv. techn. Leitung & Technik Veronika Birkner | Lichtdesign & -technik Johannes Felber | Technik Julian Vogel | Musikkuratierung Martin Finnland / Alkis Vlassakakis | Konzept Mitarbeit und Archiv Martin Walkner | Regieassistenz Laura Athanasiadis | Team Ausstattung Sophie Eidenberger, Emily Gilmore | Bühnenbau Andreas Holzmann, Walter Winkelmüller | Kommunikation Christopher Wurmdobler | Grafik Rita Neulinger | Website Gisa Fellerer | Fotografie Vertigohyeah | Film im Stück Lorenz Tröbinger | Darstellerin im Film Laura Hermann | Office und Buchhaltung Doris Panzer | Hospitanz Cuqui Espinoza
Besonderer Dank an die Freund*innen von Nesterval insbesondere der Obfrau Andrea Lenk, sowie den Unterstützer*innen Michael Brandtner, Theo Enzelberger, Johannes Felber, Martin Hinterndorfer, Andreas Kauba, Markus Kellner, Kaya Alina Knapp, Anita Komarek, Philipp Leitenbauer, Sabine Sammer, Maria Sibilia, Gerald Timelthaler, Sylvia Waldstätten, Tobias Walka, Edmund Weninger und Julian Wiehl. Dank an René Lipkovich (SLT Siart Lipkowvich & Team), Helmut Patterer (PRBS Patterer e.U.) und Nikolaus Vogler (PHKV Rechtsanwälte). Extra Dank an DARUM für die Radiogeräte. Danke Johannes Felber (Aventec), Adelbert Windisch (Hawidere) und Schremser.
Gewidmet Anna Hötzeneder, welche am 31.12.1974 das Licht der Welt erblickte.
Eine Uraufführung von Nesterval im Auftrag von Johann Strauss 2025 Wien.




